Liebe Rundbrief- Leserinnen und -Leser,
auch im neuen Jahr juckt es mich in unregelmäßigen Abständen und je nach Anlass zwischen den Fingern und ich tippe ein paar Zeilen.
Wem’s zuviel ist, möge es einfach wegklicken oder mich sogar drum bitten, ihn aus dem Verteiler zu nehmen.
Andererseits darf’s gerne auch weitergeleitet werden, an wen auch immer.
Heute nun ein paar Gedanken im Nachgang zur Veranstaltung „Ist der Islam eine Religion der Gewalt oder des Friedens?“
Die Veranstaltung:
Am vergangenen Mittwoch lud die „Offene Kirche“ ins Stammheimer Gemeindehaus zu Referat und Diskussion mit meinem früheren Religionslehrer Rainer Merkle aus Bad Herrenalb ein. Die „Offene Kirche“ ist einer der Gesprächskreise in der Württ. Landessynode, quasi eine der Fraktionen im Stuttgarter Kirchenparlament. Das Gemeindehaus war prall gefüllt, kein Stuhl blieb leer. Auch viele Gäste aus auswärtigen Kirchengemeinden und ein gutes Dutzend Muslime waren der Einladung gefolgt.
Referat und Diskussion:
Rainer Merkle leitete anhand einer Vielzahl von Koranstellen her, dass der Islam keine Religion der Gewalt sei und dass Extremisten und Terroristen wie der IS den Koran und insbesondere auch den Begriff des „Dschihad“ bewusst umdeuten würden. Er verwies zudem auf die gemeinsamen Wurzeln der sogenannten Monotheistischen Religionen, Judentum, Islam und Christentum, allen voran dem Urvater Abraham.
In der Diskussion zeigte sich, dass manche der Anwesenden diese Bewertung des Islam als zu unkritisch betrachteten, z. B. im Blick auf Christenverfolgungen etc. Die Wortmeldungen der anwesenden Muslime, insbesondere eines Vorbeters der bosnischen Gemeinde, versuchten jedoch, die friedliche Grundausrichtung des Islam zu bestätigen.
Mein Fazit:
Die Diskussion zeigte wieder einmal, dass bereits unter uns Christen große Unterschiede in der Auslegung und Bewertung der Bibel bestehen. Nicht anders scheint es im Islam zu sein. Ein Jahrhundertealtes Religionsbuch kann eben nicht einfach Wortwörtlich übernommen werden, sondern muss immer in seinem historischen Kontext ausgelegt werden und das ist eben in verschiedener Ausrichtung möglich. Das gilt für die Bibel gleichermaßen wie für den Koran. Vielleicht ist es ja so, dass die Friedliche Richtung im Islam zur Zeit eher in der Defensive ist. Das ist beunruhigend, aber das darf kein Grund sein, den Islam pauschal zu diskreditieren. Wir sollten auch nicht vergessen, dass Dietrich Bonhoeffer und seine Mitstreiter in den dunkelsten Stunden Deutschlands auch ziemlich allein blieben mit einem Christentum, das konsequent Barmherzigkeit und Menschlichkeit in den Vordergrund stellt.
Mein Appell:
Wir Christen haben den Auftrag Jesu, Frieden zu stiften. Auch Muslime haben vergleichbare Aufforderungen im Koran, wie Pfarrer Merkle ausführlich darlegte. Wenn wir – egal welcher Religion oder Weltanschauung wir angehören – diesen Friedensauftrag ernstnehmen wollen, bleiben für mich im Umgang mit dem Islam folgende Forderungen:
– In jeder Diskussion muss klar unterschieden werden zwischen dem Islam als Religion und dem Islamismus als politische, teilweise terroristische Richtung.
– Diejenigen Muslime, die einen friedlichen Islam propagieren, müssen gestärkt werden. Bewusst wurde mir an diesem Abend dabei, wie wichtig dazu ein islamischer Religionsunterricht ist, der Staatlich gefördert wird, damit aber auch transparent gemacht wird. So werden gemäßigte Vertreter des Islam, wie der anwesende Vorbeter der bosnischen Gemeinde, unterstützt.
– Kontakt und Austausch mit Muslimen muss auch sonst intensiviert werden, um die Gemeinsamkeiten zu pflegen und über Trennendes diskutieren zu können, ja in der Sache durchaus auch zu streiten.
Am vergangenen Mittwoch fand eine solche Diskussion in weitgehend sachlicher Atmosphäre statt. Das war für mich ein ermutigendes Zeichen.
Soweit für heute.
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