Liebe Rundbrief- Leserinnen und -Leser,
nachdem ich die letzten Tage mehrfach auf das Thema „Gender mainstreaming“ oder in negativer Bewertung „Gender- Wahn“ angesprochen wurde, habe ich beschlossen, das versprochene Thema Senioren- und Pflege- Politik um eine Woche zu verschieben.
Zum Thema Homosexualität und Umgang mit anderen Lebensformen habe ich ja schon im vergangenen Juni 50 Zeilen formuliert (siehe unter http://www.johannes-schwarz.eu/johannes-schwarz/50-zeilen-5-minuten/). Darauf möchte ich verweisen. Denn von einigen Seiten wird aktuell versucht – ähnlich der Bildungsplan-Debatte – gender mainstreaming mit einer wie auch immer gearteten Früh- Sexualisierung und Abschaffungstendenz jeglicher Geschlechtsunterschiede in Verbindung zu bringen. Dem ist nicht so.
Was im Deutschen als „Geschlecht“ bezeichnet wird, das teilt sich im Englischen auf 2 Begriffe auf: „sex“ als das biologische Geschlecht sowie „gender“ als das soziale Geschlecht, vielleicht könnte man sagen, die kulturelle Rollenverteilung. Demzufolge bedeutet Gender Mainstreaming laut wikipedia: „… die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern bei allen Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu berücksichtigen, um so die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen.“
Das hat nichts mit einer Gleichmachung zu tun, schon gar nicht „biologisch“. Sondern es formuliert das weltweit anerkannte Ziel, die Chancengleichheit von Mann und Frau umfassend und strukturell herbeizuführen. Man wird nicht behaupten können, dass wir das schon ganz geschafft haben (Bsp. Einkommensunterschiede oder Anteil Spitzenpositionen), auch wenn wir in Europa sicher relativ weit sind. Für mich ist an gender mainstreaming auch wichtig, dass es nicht nur um die Förderung von Mädchen und Frauen geht, sondern um gleiche Chancen für alle. Das nimmt nämlich auch eventuelle Benachteiligungen von Jungen und Männern in den Blick, die es in bestimmten Situationen auch gibt.
Die rechtliche Grundlage für gender mainstreaming ist sehr breit. Ausgehend von Weltfrauenkonferenzen der 80-er und 90-er-Jahre gibt es von Europa bis zu den Bundesländern entsprechende Gesetze. Z. B. heißt es im Baden-Württembergischen Chancengleichheitsgesetz für den Öffentlichen Dienst (wohlgemerkt unter Schwarz- Gelb aus 2005): „Alle Beschäftigten, insbesondere diejenigen mit Vorgesetzten- und Leitungsaufgaben, fördern die tatsächliche Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und berücksichtigen Chancengleichheit als durchgängiges Leitprinzip in allen Aufgabenbereichen der Dienststelle.“
Auch der „verbindliche Orientierungsplan für Kindertageseinrichtungen“ in BaWü will die „Förderung der Chancengleichheit von Mädchen und Jungen“ vorantreiben und wurde 2011 (ebenfalls noch unter Schwarz-Gelb) nach großer Beteiligung aller gesellschaftlichen und Kinder-relevanten Gruppierungen beschlossen.
Man kann die alte Rollenverteilung „Frau zuhause, Mann bei der Arbeit“ für besser halten. Dann muss man gender mainstreaming kritisch sehen. Allerdings ist da auch die CDU schon weiter, die laut Ihrer homepage unter der Rubrik „Frauen im Fokus“ einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung bis zum zehnten Lebensjahr fordert, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können.
Ich glaube, wenn grundsätzlich beide Ehepartner sowohl für Erwerbsarbeit und Ehrenamt als auch für Erziehungsalltag und Haushalt Verantwortung haben, ist das für die ganze Familie gut. Im Detail muss das natürlich jedes Paar für sich selbst und immer wieder neu ausgestalten. Im Übrigen war das Leben unserer bäuerlichen Vorfahren gar nicht so weit weg davon. Die landwirtschaftliche Arbeit in Stall und Feld war in der Regel gemeinsame Sache und erst die Industriegesellschaft machte uns vor, dass die Väter üblicherweise von morgens bis abends weg sind und deshalb auch weniger Anteil am Alltag der Kinder haben.
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