Zum Einstieg wähle ich diesmal einen Auszug der Internetseite http://weltagrarbericht.de/.
Herausgeber ist die „Zukunftsstiftung Landwirtschaft“, Unterstützer sind Umweltverbände, z. B BUND und bioland, aber auch kirchliche Hilfswerke wie MISEREOR und BrotfürdieWelt. Auf der Startseite ist über den Weltagrarbericht zu lesen:
„Landwirtschaft am Scheideweg – Weiter wie bisher ist keine Option
Über 800 Millionen Menschen hungern auf diesem Planeten, während 1,9 Milliarden an Übergewicht und krank machender Fettleibigkeit leiden. 2,5 Milliarden Tonnen Getreide wurden 2014 weltweit geerntet, mehr als je zuvor. Doch nur 45% dieser Ernte dienen als Lebensmittel. Der Rest wird zu Tierfutter, Sprit und Industrierohstoffen verarbeitet. Unser Ernährungssystem ist eine der wichtigsten Ursachen für den Klimawandel, das Artensterben, für Umweltverschmutzung, Wasserknappheit, vermeidbare Krankheiten, Kinderarbeit, Armut und Ungerechtigkeit. Dieses System ist krank.
Über 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fassten 2008 im Auftrag der Weltbank und der Vereinten Nationen den Stand des Wissens über die globale Landwirtschaft, ihre Geschichte und Zukunft zusammen. Dieser Weltagrarbericht ist unbequem und alarmierend, warnt vor Irrwegen und zeigt Lösungen auf.“
Eine inhaltliche Zusammenfassung auf wikipedia lautet: „Der (Weltagrar-) Bericht fordert insbesondere eine Ausdehnung der ökologischen Landwirtschaft beziehungsweise agrarökologischer Methoden und der Förderung von Kleinbauern. Die Grüne Gentechnik, Agrochemie und geistiges Eigentum von Saatgut werden kritisch hinterfragt.“ Dort ist auch zu lesen, dass die großen Konzerne wie z. B. monsanto und BASF an der Ausarbeitung beteiligt waren. Sie zogen sich jedoch aus Protest gegen die inhaltlichen Ergebnisse vorzeitig zurück. Ebenso die großen Agrarstaaten USA, Kanada und Australien, weil der Bericht auch deren „Marktöffnungs“- Politik infrage stellt. Das Institut für Landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität Hohenheim dagegen wertet den Weltagrarbericht positiv: „dass kein Grund vorläge, die wissenschaftliche Qualität der Publikation in Frage zu stellen.“
Folgende Punkte aus diesem Weltagrarbericht will ich hervorheben, auch im Blick auf die konkrete Landwirtschaftspolitik:
– Kleinbauern garantieren offenbar am sichersten die Lebensmittelversorgung einer Region oder eines Landes. Also Familienbetriebe, die im besten Falle ihr eigenes Land bewirtschaften und allein schon deshalb darauf bedacht sind, dass Acker- und Grünland nicht überstrapaziert, ausgelaugt oder einseitig belastet werden. „Nicht das Maximum, sondern das Optimum“ sagte die Europaabgeordnete und Milchbäuerin Maria Heubuch auf dem Eichwaldhof in Stammheim und warb damit für eine ehrliche Abwägung zwischen Einsatz und Ertrag. Der aktuelle Milchpreis- Verfall, der viele Bauern in ernsthafte Existenznot bringt, zeigt es überdeutlich: die Bauern werden auf Gedeih und Verderb zur Produktionssteigerung getrimmt, ohne die Nachfrage auf dem Weltmarkt zu haben. Nirgendwo wird ohne verbindlichen Abnehmer so ungehemmt produziert. Viel nachhaltiger wäre es, stattdessen Anreize für eine Reduzierung der Milchproduktion zu schaffen. Die Gelder dafür wären auf europäischer Ebene da, für pauschale Gießkannen- Finanzspritzen werden sie schließlich auch eingesetzt. Interessant ist die inhaltliche Nähe unserer Grünen Positionen zum Bund Deutscher Milchviehhalter, während in den Parlamenten noch keine Mehrheiten erkennbar sind.
– Gentechnik, der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie die Patentierung von Saatgut werden im Weltagrarbericht kritisch bewertet. Die Gesamtbilanz stimmt einfach nicht, wenn man Umweltschäden, Klimafaktoren, soziale Verwerfungen durch Abhängigkeit von Großkonzernen etc. mit einkalkuliert.
– Auch wenn es nicht populär ist (siehe „veggy-day“), sagt dieser Bericht unmissverständlich auch Folgendes: Lebensmittel nicht direkt zu essen, sondern sie zu verfüttern und als Fleisch- und Milchprodukte einzunehmen, ist Luxus. Zumindest in dem Maße, wie wir das in den Industrieländern heute tun, können wir uns diesen Luxus nicht mehr leisten. Denn wir nehmen damit pro Kopf viel größere Ackerflächen in Anspruch als unsere Mitmenschen in den ärmeren Ländern. In einer Zeit, wo der Klimawandel ohnehin knappe Flächen noch reduziert, ist dies nicht mehr vertretbar. Konkret wird dies, wenn z. B. immer noch große Mengen an Futtermitteln von Südamerika zu uns importiert werden, um Schweine zu mästen und Milchleistungen in nie gekannte Höhen zu steigern, während dort Agrarland für die Bevölkerung fehlt oder Urwald gerodet wird. Deshalb führt an der Reduzierung von „Fleisch und Milch“ auf das Normalmaß früherer Jahrhunderte kein Weg vorbei, so unbequem das auch sein mag. Abwehrreflexe, wie „ich lasse mir von den Grünen nicht vorschreiben …“ verschenken dabei nur wertvolle Zeit.
– rund 40 % der Klimaschädlichen Emissionen gehen auf Landwirtschaft und Lebensmittelgewinnung zurück. Die „Methan-pubsende“ Kuh wurde leider zum Sinnbild dafür, denn dies ist eine unzulässige Vereinfachung. Der ökologische Wert von Grünland wurde lange unterschätzt. Deshalb ist tierische Produktion mit Grünfutter – im besten Fall durch Beweidung – sogar ein stabilisierender Faktor für eine nachhaltige Landwirtschaft, nicht zuletzt durch die Gewinnung von Mist und Gülle als Dünger. Erst dort, wo im großen Stil Acker- Futter zum Einsatz kommt, beginnt das Problem.
– dass die Weltbevölkerung unvermindert steigt, macht alle Bemühungen um eine nachhaltigere Landwirtschaft noch schwieriger. Der Kino- Dokumentationsfilm „10 Milliarden – wie werden wir alle satt?“ (http://10milliarden-derfilm.de) schildert dies genauso unbequem wie der Weltagrarbericht. Aber auch da werden Lösungsansätze aufgezeigt. Bis vor Kurzem im Kino, ist er wohl ab Ende Oktober als DVD zu haben.
– ob die Herausforderung, „alle satt zu machen“, am Ende durch eine reine, streng regulierte Bio- Landwirtschaft zu schaffen sein wird, ist durchaus infrage zu stellen. Dass Bio- Bauern entscheidende Faktoren und Vorbilder sind und bleiben, steht außer Frage. Aber ich glaube, es wird auch wichtig sein, gerade die familienbetriebene, bäuerliche Landwirtschaft insgesamt mitzunehmen, auf einem Weg zu mehr Naturnähe und weniger Chemie, mehr Qualität und weniger Masse, mehr Regionalität und weniger Transportwegen. Klar ist allerdings, dass wir Verbraucher dafür einen angemessenen Preis bezahlen müssen. Ich bin froh, dass unsere Grüne Europaabgeordnete Maria Heubuch aus dem württembergischen Allgäu – übrigens selbst auch keine Bio-Bäuerin – mich darin bei ihrem Besuch im Landkreis Calw bestärkte.
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