Wie in jeder etablierten Partei, formierten sich auch bei den Grünen fast von Beginn an Christen zu einer eigenen Arbeitsgemeinschaft, auf Bundesebene haben sie sogar eine eigene Homepage: http://gruene-bag-christinnen.de/willkommen/ . Selbstformuliertes Ziel dieser AG ist, „uns sowohl in den interreligiösen Dialog als auch in die gesellschaftliche und politische Diskussion einzumischen, wann immer es um die Bewahrung und die sachgemäße Anwendung christlicher Werte geht.“
Wer die großen Verlautbarungen der Kirchen im Rahmen des seit 1983 eingeleiteten „konzilliaren Prozesses zu Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfungsbewahrung“ liest, erkennt unschwer große Schnittmengen zur Grünen Politik, und so waren und sind unter den Grünen Spitzenpolitikern auch immer wieder profilierte Kirchenleute zu finden, etwa die frühere Fraktionsvorsitzende und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, eine Evang. Theologin oder die heutige Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, frühere Präses der EKD- Synode und Kirchentagspräsidentin.
Andererseits fielen Anfang der Neunziger Jahre Grüne durch sehr radikale Forderungen beim Abtreibungsrecht auf, was zeitweise auch progressivere Schichten der Kirchen entfremdete.
So war es für mich nicht ganz überraschend, dass ich als junger Bundestagskandidat vor 13 Jahren hin und wieder gefragt wurde, ob „als Christ bei den Grünen“ nicht ein Widerspruch sei. Unter dem gleichlautenden Titel thematisierte ich dies daraufhin in 2 Veranstaltungen mit regen Diskussionen, die ich in guter Erinnerung habe. Der Schöpfungsauftrag „Bebauen und Bewahren“ – für mich die biblische Formulierung des Nachhaltigkeits- Prinzips – deckt sich jedenfalls für mein politisches Engagement am weitaus stärksten mit den Grundlinien Grüner Politik.
Auch auf Landesebene gibt es die Arbeitsgemeinschaft „Christinnen und Christen bei den Grünen“, wo ich seit mehr als 10 Jahren Mitglied bin und zeitweise auch im Lenkungskreis tätig war. So lernte ich auch Winfried Kretschmann kennen, seit 2002 Fraktionschef und religionspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, sowie im kirchlichen Amt Mitglied im Zentralrat der Katholiken. Er beklagte damals schon, dass nicht nur bei den Grünen, sondern generell im Landtag nur noch wenige Abgeordnete mit tieferem kirchlichen Hintergrund sind und suchte deshalb hin und wieder einen „außerparlamentarischen“ Austausch zu ganz konkreten Religionspolitischen Fragen.
Ein Missverständnis möchte ich jedoch nicht aufkommen lassen: Politische Entscheidungen direkt aus der Bibel abzuleiten, halte ich nicht für möglich, zumal Christen auch bei großen Auseinandersetzungen oft in beiden Lagern sitzen, allein schon, weil sie die Bibel unterschiedlich auslegen. Christen sind auch nicht die besseren Politiker. Glaube und die Verheißungen der Bibel können allerdings zum Anstoß werden, den Blick für’s Ganze zu bewahren und deshalb auf gegnerische Positionen und Kompromisse leichter eingehen zu können. Insofern freue ich mich immer, wenn ich mit anderen Politikern auch auf dieser Ebene kommunizieren kann.
Doch nun zurück zur Kirchenpolitik. Natürlich gibt es bei einer sehr liberalen Partei auch diejenigen, die ganz offen für eine konsequente Trennung von Kirche und Staat eintreten und eine Verdrängung alles Religiösen in die Privatsphäre propagieren, den sogenannten Laizismus, wie er in Frankreich Tradition hat. Vielleicht auch als Reflex auf die Wahl des „Kirchenmannes“ Kretschmann zum Ministerpräsidenten flammten diese Themen auch in den letzten Jahren bei den Grünen immer wieder auf.
Nicht zuletzt deshalb hat Kretschmann zusammen mit dem Europaabgeordneten Sven Giegold 2014 „Religionspolitische Thesen“ veröffentlicht als Grundsatzpapier, siehe im PDF- Anhang. Darin findet sich ein klares Plädoyer für das Einbinden und Fördern der Religionsgemeinschaften als Sinnstiftender Teil des Gemeinwesens, ohne die organisatorische Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften infrage stellen zu wollen. Ich finde diese Thesen sehr lesenswert, weit über irgendwelche parteiinterne Diskussionen hinaus. Besonders die ausführlichen Begründungen sind auch für kirchlich Aktive interessant. Kirche sollte ja auch selbst immer wieder definieren, welche Rolle sie in Politik und Gesellschaft wahrnehmen will und was als Gegenleistung zur staatlichen Unterstützung von ihr erwartet werden kann. Im Übrigen nimmt dieses Positionspapier zu vielen konkreten Themen Stellung, wie Feiertagsschutz, Kirchliches Arbeitsrecht, Religionsunterricht oder Kirchensteuer und Weiteres.
Im Blick auf die geforderte Einbindung des Islam in ähnliche Strukturen – ganz konkret z. B. der Einrichtung des Islamunterrichts an Schulen – zeigt sich meines Erachtens auch die entscheidende Schwäche einer laizistischen Haltung: In rein privaten Koranschulen haben islamistische Fanatiker viel mehr Raum, Anhänger zu finden. Da scheinen auch die gemäßigten Kräfte des Islam machtlos zu sein. Leider ein brandaktuelles Thema. Soweit für heute Freundliche Grüße von Johannes „Joe“ Schwarz
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