50 Zeilen …. „Hermann-Hesse-Bahn“ (9.10.2015)

Noch ist sie nicht ganz in trockenen Tüchern, und diese Schlagzeile noch nicht Gewissheit. Aber ich bekenne mich als vehementer Verfechter  dieses Projekts. Deshalb hier meine Meinung und Erläuterung:

die Historie der Württ. Schwarzwaldbahn und der bisherigen Reaktivierungs- Planungen

– seit 1872 war die einzige echte Gebirgsbahn Württembergs in Betrieb

– in den ersten Jahren Hauptstrecke in die Schweiz, bis zum Bau der Gäubahn.

– 1983 der vorerst letzte Personenzug zwischen Calw und Weil der Stadt, 1987 auch der letzte Güterzug.

– Ende der Achtziger- Jahre: der Kreis kauft die Strecke um 1 D-Mark:   kleiner Betrag, große Bedeutung

– schon damals treibende Kraft: der WSB    (Verein zur Erhaltung der Württ. Schwarzwaldbahn)

– 90-er- Jahre: Prüfung Variante  Calw- Böblingen (ab Dätzingen Neubaustrecke) =>  klar negatives Ergebnis, zu hoher Aufwand.

– ab ca. Jahrtausendwende:     Reaktivierung bis Weil der Stadt, zunächst als Pendelzug, mit bereits hoffnungsvollen Zahlen bei der Volkswirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Rechnung. Deren positives Ergebnis ist zwingend für den Einsatz von Fördermitteln und damit unabdingbar.

– seit 2008 :   Variante  S-Bahn- Verlängerung  =>  Umstiegsfrei von Calw nach Stuttgart. Dies scheitert an der nächsten Genauigkeitsstufe des Nutzen-Kosten-Faktors, aber auch an der „kalten Schulter“ der Region Stuttgart, wie ich selbst in einer Sitzung in Stuttgart erleben konnte.

– Leider ist Calw damit bis heute der einzige Landkreis in der Metropolregion Stuttgart ohne direkte Zugverbindung ins Zentrum.

– ab 2011 heutige Variante:     Pendelverkehr zwischen Calw und Renningen           mit 2 entscheidenden Vorteilen:   einerseits wäre die teure Infrastruktur einer S-Bahn nicht nötig, z. B. Bahnsteiglänge, Elektrifizierung etc.   Zudem wäre die Verbindung in Richtung BB/Sifi mit nur einem Umstieg nutzbar.

– Sommer 2013:    Förder- Verhandlungen mit dem Bundesverkehrsminister scheitern.    LR Riegger steuert schnurstracks Stuttgart an, um dort eine Lösung hinzukriegen. Bereits im Mai 2014 verkünden Minister Hermann und er: „Wir sind uns einig, das Zügle kriegt das nötige Geld“ und dies sogar noch vor der ominösen Klippe 2019, dem Bundesweiten Auslaufen der Fördertöpfe.

das Konzept

– ein Pendelzug zwischen Calw und Renningen. Endstation in Calw ist beim heutigen Haltepunkt der Nagoldtalbahn oberhalb ZOB, in Renningen auf einem Nebengleis im dortigen Bahnhof.

– Fahren würde zunächst ein sogenannter Diesel- Leichttriebwagen, wie bei der Kulturbahn im Nagoldtal. Ab ca. 2021 könnten diese durch ähnliche Triebwagen, jedoch mit Brennstoffzellenantrieb ersetzt werden.     2 davon sind im Rahmen einer Sammelbestellung des Landes geordert.

                => der AK Energie der Grünen im Kreis Calw hat bereits das Ziel ausgegeben, mit einer großen Stromgewinnungsanlage  –  „power to gas“- Konzept    –    den Wasserstoff für die Brennstoffzellen ökologisch und vor Ort zu erzeugen, im besten Fall im Rahmen einer Kreisenergiegenossenschaft.

– Die Fahrzeit der Bahn liegt bei etwa 27 Minuten, sodass mit nur 2     –    entgegengesetzt fahrenden   –   Zügen ein Halbstundentakt möglich ist.

– nicht zuletzt wegen dieser knappen Fahrzeit wird bei Ostelsheim ein Tunnel gebaut, um die große Hacksbergschleife bei Dätzingen und Schafhausen abzukürzen. Einen Haltepunkt Schafhausen wird es deshalb leider nicht mehr geben. Der Aufwand wäre zu groß, das war Teil einer näheren Alternativuntersuchung.

– Zwischenhalte sind in Heumaden, Althengstett, Ostelsheim und Weil der Stadt geplant.

– zwischen WDS und Renningen fährt die Hermann- Hesse- Bahn parallel zur S6. Der sogenannte Stress- Test hat Sorgen um Beeinträchtigungen für die S-Bahn zwar ausgeräumt, dennoch wurde inzwischen vertraglich vereinbart, dass im „Störungsfall“ die Hermann- Hesse- Bahn zweitrangig wäre und dann nur bis Weil der Stadt fahren würde. Dies ist auch völlig gerechtfertigt, nachdem die S-Bahn ein Vielfaches an Passagieren befördert.

– die bestehende Trasse ist „goldwert“, dennoch muss das Gleis komplett erneuert werden. Der Bau der Brücken an den beiden Fehlstellen über die B295 (bei Heumaden und Weil der Stadt) ist vertraglich gesichert. Bei Ostelsheim muss als Begegnungsabschnitt ein 2. Gleis gebaut werden.

 

die restlichen Knackpunkte

– die finanzielle Beteiligung des Kreises Böblingen war in der bisherigen Planungsphase stets bei 20%. Bisher wird damit kalkuliert, dass dies auch bei den Investitionskosten so gehandhabt wird. Obwohl eine vom Kreis Böblingen gewünschte Studie ergab, dass der Nutzen dieser Reaktivierung zu mehr als 40% zugunsten der Böblinger Kommunen ausfällt, ist davon auszugehen, dass die Betriebskosten komplett der Kreis Calw und seine Anrainergemeinden trägt. Diese Finanzierungsfragen mit dem Kreis Böblingen sind noch nicht abgeschlossen.

– vor allem wegen der anteilig zu tragenden Betriebskosten fehlt auch die Zusage der Gemeinde Ostelsheim noch. Mehrfach habe ich im direkten Disput mit Bürgermeister und Gemeinderäten versucht, für diese Zusage zu werben. Auch weil Calw und Althengstett deutlich höhere Anteile tragen. Die Regelung erfolgt nach einem Fixbetrag pro Einwohner Gesamtgemeinde, also auch für jeden Ottenbronner, Altburger und Holzbronner, obwohl diese die reaktivierte Bahn nicht „zu Fuß“ nutzen können.

– Lärmschutz:  für das 2. Gleis bei Ostelsheim ist eine Genehmigung erforderlich. Bei Einleitung dieses Verfahrens bis Ende 2014 wären Lärmschutzwerte noch niedriger gewesen. Nicht zuletzt auf Empfehlung des Landes werden aber die höheren Werte angewendet, die technische Antwort darauf wird derzeit abgearbeitet. Auf der übrigen Strecke ist baurechtlich kein Handlungsbedarf. Forderungen der dortigen Einwohner wären deshalb eine reine Freiwilligkeitsleistung, was nicht nur eine Kosten-, sondern auch eine Gerechtigkeitsfrage ist. Ich hatte gemeinsam mit Rainer Burkhardt als Calwer Grüne diese Woche schon ein Gespräch mit Anwohnern der Stuttgarter Straße in Calw. Deren Situation ist meilenweit schlimmer als 4 Diesel- Triebwagen pro Stunde, der Verkehr auf der B295/296 hört nicht einmal nachts auf.

– Fledermäuse:  Vor allem der Hirsauer Tunnel aber auch der Forsttunnel bei Althengstett gelten als Landesweit bedeutende Winterquartiere für Fledermäuse. Inwiefern dies schon zu früheren Bahnbetriebszeiten so war, ist unklar. Laut verschiedener Gespräche ist in der sogenannten „Schwärmzeit“ (August und September) zu befürchten, dass ab er abendlichen Dämmerungszeit viele Tiere durch die Züge getötet werden. Unter den Artenschutz- Experten ist umstritten, ob es vertretbar ist, Ersatzquartiere zu schaffen, aber in den Tunneln selbst den Verlust eines Teils der Population in Kauf zu nehmen. Die Alternative einer deutlichen Geschwindigkeitsreduzierung würde den Halbstundentakt gefährden, verkehrstechnisch eine elementare Beeinträchtigung. Ich kann fachlich nicht beurteilen, wie eine Lösung aussehen kann, habe aber als Kompromissvorschlag verschiedentlich in die Diskussion geworfen:   begrenzt auf diese rund 6 – 8 Wochen in den Abendstunden auf 40 km/h zu reduzieren. Ganz praktisch als Bahnnutzer würde ich sagen, wäre eine leichte Verspätung zu diesen Zeiten zu verschmerzen. Weder Artenschutz- noch Verkehrsexperten haben sich bisher komplett ablehnend dazu geäußert.

Ein grundsätzliches Scheitern des Projektes an diesen Punkten befürchte ich nicht. Die Strukturpolitische Chance einer Schienen- Reaktivierung ist einfach zu groß. Das zeigt eine Vielzahl vergleichbarer Projekte. Der ökologische Wert durch Vermeidung von Individualverkehr ist ebenfalls unbestritten.

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